Welche digitalen Aufzeichnungen wird man aus der heutigen Zeit finden?

1 Das große Vergessen

Datenverkehr, Datenverarbeitung und Daten aufbewahren kostet Energie. Derzeit verbraucht das Internet mehr Strom als Frankreich und Deutschland zusammen. 3% des CO2 Ausstoßes geht auf das Konto des Internets (das ist doppelt soviel wie der weltweite Flugverkehr verursacht).

Der Anstieg des Datenvolumens und der einhergehende Energieverbrauch steigen exponentiell an.

Eher früher als später werden wir an einem Punkt gelangen, an dem wir es uns aus ökonomischen und ökologischen Gründen nicht mehr leisten können, alles aufzubehalten.

Löschalgorithmen werden unsere Daten durchmustern und Daten, die keine oder zu wenige Zugriffe hatten, entfernen. Bei einem markanten Teil der Inhalte des Internets wahrscheinlich kein Fehler. So werden aber z.B. auch Blogs verschwinden. Blogs sind der unmittelbare Spielgel unserer Zeit und mit den einstigen Tagebüchern vergleichbar. Blog-einträge sind interessant am Tag der Publikation, womöglich noch eine Woche danach, aber nicht nach einem Jahr. Aber möglicherweise in 100 Jahren. Dann werden heutige Blogs aber höchstwahrscheinlich nicht mehr existieren.

Es wird zu der Situation kommen, an dem sich zukünftige Generationen zwar an Zeiten, in denen Bücher und Magazine noch gedruckt wurden, erinnern können, aber nicht an die unmittelbar jüngste Vergangenheit, ein Phänomen, das man “Globaler Alzheimer” nennen könnte.

Was ist das interessante an alten Zeitungen, wenn man sie in alten Kommoden oder als Packmaterial von Zeugs am Dachboden findet? Die Reklame! Mitunter amüsant, aber auf jeden Fall die damalige Zeit widerspiegelnd: zB die Darstellung der Frau in Werbeanzeigen der 1950er Jahre.

Ads auf Webseiten werden in 100 Jahren einfach nicht existieren, sie sind schon verschwunden, wenn die neue Kampagne online geht.

2 das Zeitalter der Idioten

Wir kennen etwa 0,1 bis 1 % der antiken Texte. Publizieren war ein gewisser Aufwand und wir können annehmen, dass das Publizierte von Relevanz war.

Darum können wir heute, selbst mit diesem vergleichsweise kleinen Fragment, die antike Denkweise und Welt rekonstruieren.

Heute publizieren nicht nur Zeitungen und Wissenschaftler, JEDER publiziert: Jedes Posting, jedes Video, jeder Tweet ist Publikation.

Und da Pseudo-wissenschaft ein größeres Publikum hat als Wissenschaftliche Paper gibt es mehr Webseiten über Getreidekreise als über Gravitationswellen. Desweiteren gibt es mehr Youtube-videos darüber wie sich Menschen auf besonders dämliche Weise verletzen, weil sie beispielsweise auf einem Gymnastikball versuchen zu  stehen, als Videos darüber, wie jemand aussergewöhnliches vollbringt.

Nun stellen wir uns vor, was ein zufälliges 0,1% Datenfragment enthalten könnte. Es würde auf bestimmte Weise repräsentativ für unsere heutige Zeit sein, aber mit Sicherheit nicht das enthalten, für das wir wir einen großen Aufwand betreiben und viel Geld ausgeben: Forschung, Medizin, Raumfahrt, etc.

Menschen in der Zukunft könnten denken, dass wir niemals Raumflug betrieben haben, denn offensichtlich haben wir nicht einmal das Prinzip der Schwerkraft verstanden.